Die diesjährige «Rencontre» ist drei Pionieren des Schweizer Animationsfilms gewidmet. Vor über 50 Jahren gründeten Claude Luyet, Georges Schwizgebel und Daniel Suter in Carouge das Studio GDS. Ihr Werk erzählt von grossen Träumen, kleinen Gemeinheiten und überraschenden Wendungen – kurz: vom Leben.
Bevor die künstliche Intelligenz aus den dunklen Servergruften stieg, regierte auf der Welt die künstlerische Intelligenz. Auch sie agierte in schummrigen Räumen, Mansarden und Hinterhöfen, zum Beispiel in der Rue Ancienne 16 im genferischen Carouge. 1971 kamen hier drei Grafiker zusammen, die sich kurz zuvor in einer Werbeagentur kennengelernt hatten. Georges Schwizgebel und Daniel Suter hatten beide die École des Arts Décoratifs abgeschlossen, Claude Luyet eine Lehre als Grafiker. Ihre gemeinsame Begeisterung für den Animationsfilm war am renommierten Filmfestival von Annecy entfacht worden. Nun wollten sie ihr Glück mit einem eigenen Atelier versuchen. GDS – das Kürzel steht für die Vor- und Nachnamen der drei Freunde.
Kollektiv und Individuum
Von Anfang an war GDS ein Kollektiv und gleichzeitig ein Individuum. Oder anders gesagt: eine kreative Gemeinschaft mit Hang zum Pragmatismus. Um ihre eigenen Filme finanzieren zu können, arbeiten alle drei weiterhin als Plakatgrafiker und realisieren Abspänne fürs Westschweizer Fernsehen. Schwizgebel gestaltet Illustrationen fürs anthropologische Institut, Suter wird Lehrer und Luyet arbeitet zeitweise als Briefträger. Keinem ermöglicht GDS eine komfortable Existenz, doch allen eine beständige künstlerische Entwicklung. 265 Filmminuten in 52 Jahren – so viel kam in der Geschichte des Studios bisher zusammen. In der Zeitrechnung des Animationsfilms ist das eine halbe Ewigkeit.
Beseelte Zeichnungen
Die «Rencontre» zeigt nun erstmals eine Integrale aller Arbeiten des Studios GDS. Es sind 42 animierte Kurzfilme, die mit unterschiedlichen Techniken realisiert wurden. Daniel Suter steht für einen reduzierten, manchmal comichaften Stil und für humorvolle, hintersinnige Geschichten. Claude Luyet könnte man als «Punk» des Trios bezeichnen. Ein wiederkehrendes Sujet seiner Filme sind die vermeintlichen Gewinner und Verlierer unserer Gesellschaft, etwa ein Lottomillionär oder ein Privatdetektiv. Georges Schwizgebels Erzählungen sind dagegen oft parabelhaft und spielen bewusst mit der Wahrnehmung des Publikums. Eine zentrale Rolle nehmen räumliche Illusionen, Perspektivenwechsel und musikalische Kompositionen ein. Es wäre unseriös, die Filmografie des Studio GDS auf einen gemeinsamen Nenner zu reduzieren. Und doch verbindet das Werk der drei Filmemacher und Freunde ein Band: die künstlerische Intelligenz. Es sind ernsthafte, geistreiche und vergnügliche Filme. Und nimmt man das, was sie sind – Animationen – beim Wort, so könnte man sie lebendige, beseelte Zeichnungen nennen.
Neben fünf Kurzfilmprogrammen zeigen die Solothurner Filmtage den Langfilm «Gwen et le livre de sable» (1985) von Jean François Laguionie, bei dem Claude Luyet mitgearbeitet hat. Ein Ciné-Concert mit dem Pianisten Louis Schwizgebel und eine Ausstellung mit Zeichnungen von Daniel Suter in der Freitagsgalerie runden das Programm ab.
Das Studio GDS, leidenschaftlich wie eh und je, stellt die Filmprogramme der «Rencontre» persönlich vor.
- David Wegmüller, Programmverantwortung Rencontre