Vom 7. bis 17. August 2024 fand die 77. Ausgabe des Locarno Film Festival statt. Während zehn Festivaltagen präsentierten die Solothurner Filmtage wie jedes Jahr im Rahmen des Programms «Panorama Suisse» Schweizer Filme, welche zuvor von den Filmtagen und anderen Festivals ausgezeichnet worden waren. Niccolò Castelli, künstlerischer Leiter der Solothurner Filmtage, blickt im Rahmen einer Zugreise auf das Programmerlebnis zurück.
Locarno-Solothurn retour
Die Zugstrecke zwischen dem Tessin und Solothurn war seit einem Jahr nur mit Umwegen zu befahren. Dies ist die kurze Geschichte eines Films, der die kleine Weltreise trotzdem zweimal gemacht hat – und vielleicht gut damit gefahren ist.
Seit vielen Jahren pflegen das Locarno Film Festival und die Solothurner Filmtage einen freundschaftlichen Austausch und eine inhaltliche Zusammenarbeit. Die Früchte dieser Arbeit werden jeweils im August im Palexpo FEVI geerntet. Dort präsentieren die beiden Festivals das «Panorama Suisse», eine Auswahl an Filmen, die wir zusammen mit Swiss Films und der Schweizer Filmakademie zusammenstellen.
Mehr als 5’000 Besucher:innen haben sich in diesem Jahr für den einen oder anderen der 10 gezeigten Filme entschieden. Unter den Dokumentarfilmen waren drei preisgekrönte Festivalhits des vergangenen Filmjahres zu sehen: «Die Anhörung» von Lisa Gerig (Prix de Soleure und Schweizer Filmpreis 2024) «The Landscape and the Fury» von Nicole Vögele (Internationaler Wettbewerb Visions du Réel) sowie «Riverboom» von Claude Baechtold (Premiere am Zürich Film Festival, ausgezeichnet in Angers und Biarritz). Daneben zeigte das Panorama «Bergfahrt» von Dominique Margot und «La scomparsa di Bruno Bréguet» von Olmo Cerri. Mit den fünf Spielfilmen reisten die Zuschauer:innen auf drei unterschiedlichen Routen von der Schweiz bis zum Mittelmeer: Mit «Les paradis de Diane» (Eröffnungsfilm der 59. Solothurner Filmtage) ins spanische Benidorm, mit «Le vent qui siffle dans les grues» nach Portugal und mit «Retour en Alexandrie» nach Ägypten. Zudem liefen «Blackbird Blackbird Blackberry» (Schweizer Filmpreis 2024) sowie das Musikdrama «Jakobs Ross».
Indem wir eines der filmischen Matinées im FEVI herausgreifen, können wir zeigen, warum sich die Solothurner Filmtage für die Vorführungen von Schweizer Filmen im Rahmen des Locarno Film Festivals engagieren.
Am Dienstag, 13. August, stand «La scomparsa di Bruno Bréguet» von Olmo Cerri auf dem Programm. Die dokumentarische Spurensuche wurde bei den 59. Solothurner Filmtagen im Wettbewerb «Visioni» (erste und zweite Langfilme) uraufgeführt. Der in Lugano geborene und aufgewachsene Olmo Cerri traf 2018 hier in Solothurn die Zürcher Produzentin Karin Koch zum ersten Mal: Bei einem Kaffee am Rande einer Filmvorführung stellte er ihr die Filmidee vor und in diesem Moment war die Partnerschaft geboren, die nach fünf Jahren Entstehung zum fertigen Film führte. Die Geschichte handelt von Bruno Bréguet, einem ausserhalb der italienischsprachigen Schweiz unbekannten (und umstrittenen) Protagonisten, dessen turbulente Biografie wenige hundert Meter von der Piazza Grande entfernt ihren Anfang nahm.
Nach der stimmungsvollen Premiere in Solothurn fand Olmo Cerri auch im FEVI einen fast vollen Saal vor. Gut getarnt und am Thema interessiert erblickten wir unter den Zuschauerinnen die ehemalige Bundesrätin Ruth Dreifuss und die italienische Spitzenpolitikerin Elly Schlein (Generalsekretärin des Partito Democratico). Für den bescheidenen jungen Filmemacher Olmo Cerri und seinen Film war es eine stimmige Reise von Solothurn nach Locarno. Solche Talente und Filme behutsam zu begleiten, gehört auch zu den Aufgaben der Solothurner Filmtage.
Die Erinnerung an diese Vorführung vom 13. August fasst gut zusammen, was wir im «Panorama Suisse» während des letzten Locarno Film Festivals erlebt haben: Die Rundreise Locarno-Solothurn kann sich als durchaus beispielhaft erweisen für dieses Universum, das in ständiger Bewegung ist und wo nachhaltige Entwicklung schrittweise geschieht. Während unser Blick bereits nach vorne zu den Filmen gerichtet ist, die wir an der 60. Ausgabe der Filmtage zeigen werden, sagen wir: Vielen Dank Locarno, wir sehen uns in Solothurn!
- Niccolò Castelli
Im Bild: Olmo Cerri und Niccolò Castelli beim Q&A im Anschluss an die Filmvorführung von «La scomparsa di Bruno Bréguet» im Palexpo FEVI.